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Anfang September hatte ich die Gelegenheit und Freude mit dem Generalkommissar des Deutschen Pavillons, Dietmar Schmitz, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie über die Weltausstellung und die Welt im allgemeinen zu sprechen.

P.Honisch: Sehr geehrter Dietmar Schmitz, vorweg Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Welche Bedeutung hat es für die Bundesrepublik vor der Weltöffentlichkeit hier in Mailand auszustellen?

D.Schmitz: Es bietet sich hiermit die Möglichkeit für die Nationen, nicht nur für Deutschland, zum Thema der EXPO viele Antworten auf Fragen zu geben, die damit aufkommen und in Zusammenhang stehen. Das bedeutet natürlich auch für eine ausgewachsene Industrienation, dass das eine Chance ist, sich einem breiten Publikum zu zeigen; man darf nie vergessen: auf einer Weltausstellung gibt es nicht nur Fachleute, sondern überwiegend ganz normale Bürger, vor allem viele junge Menschen, Studenten, Schüler, die Generation der Zukunft, und denen müssen wir nahe bringen, wie wichtig es ist nach vorne zu denken, Lösungsvorschläge zeigen und das versuchen wir bei jeder Weltausstellung und hier natürlich insbesondere in Mailand zum Thema der EXPO „Feeding the Planet – Energy for Life“.

P.Honisch: Das heißt, Deutschland sieht quasi auch einen Bildungsauftrag in der Weltausstellung?

D.Schmitz: Das ist ein breit gefächerter Auftrag, wir wollen natürlich Öffentlichkeitsarbeit für Deutschland betreiben. Wir wollen viele Menschen, junge Menschen informieren. Wir wollen aber auch deutsche Kultur zeigen, wir wollen den Besuchern vielleicht auch ein anderes Deutschland-Bild zeigen. Jeder geht ja immer mit einer fest vorgefassten Meinung in ein Land oder auf ein Land zu, wenn er es noch nicht kennt. 

P.Honisch: Gerade Österreicher beispielsweise.

D.Schmitz: (lacht) Ja und die sind dann umso überraschter, wenn sie sehen „Mensch, dass hätten wir nicht gedacht, dass die Deutschen so nett sein können, dass sie so viele nette Hosts und Hostessen haben, die uns empfangen und dass Deutschland doch so viel zu bieten hat“, was man eigentlich nur erfahren kann, wenn man selber hinfährt, oder eine EXPO besucht und dann geht man in den nationalen Pavillon.

P.Honisch: Wie ist Deutschlands Zugang zum EXPO Motto?

D.Schmitz: Breit gefächert. Also wir könnten viel mehr zeigen, als wir Möglichkeiten haben und das ist immer die Herausforderung. Worauf konzentriert man sich, was will man zeigen, was ist attraktiv für den Besucher, was kann man verständlich vermitteln. Da ist, glaube ich, ganz entscheidend, dass man sich im Vorfeld viele viele Gedanken macht und nicht versucht, innerhalb von einem Jahr eine solche Weltausstellung bestücken zu wollen mit allen Konzepten, die vorher erforderlich sind und deshalb nehmen wir uns viel Zeit. Dieser Pavillon hier hat insgesamt vier Jahre Entwicklungszeit gedauert, bis er zu dem geworden ist, was jetzt hier steht und ich glaube, da haben wir schon ein gutes Echo, ein gutes Ziel erreicht, denn der Besucherandrang spricht im Grunde für sich.

P.Honisch: Ich würde jetzt einmal trennen, grundsätzlich eine diplomatische und eine öffentliche Ebene sozusagen. Im Zuge der EXPO, für Deutschland, ist sicher beides sehr wichtig, was gewichtet man wie stark und was ist quasi aus Ihrer Sicht der wichtigere Teil?

D.Schmitz: Ich denke man muss hier den öffentlichkeitswirksamen und wirtschaftlichen Teil in den Vordergrund stellen. Die Beziehungen, die wirtschaftlichen Beziehungen, innerhalb Europas und zu Italien sind eigentlich sehr gut. Es gibt einen intensiven Wirtschaftsaustausch, ob der jetzt durch eine EXPO-Beteiligung noch intensiver wird, mag dahingestellt sein, die eigentlichen Geschäfte, denen wir in Italien, nach Italien und umgekehrt unterwegs sind, laufen außerhalb einer EXPO Beteiligung, da gibt es viel Austausch im Lebensmittelsektor, im Industriesektor, bei Immobilien und vielen anderen Sparten, dafür muss man keine EXPO haben, um das anzukurbeln. Hier geht es einfach darum, unser Land einer breiten Schicht von Menschen zu zeigen und es näher zu bringen und vielleicht auch ein bisschen Einfluss zu nehmen darauf, dass mehr Italiener nach Deutschland kommen, ihren Urlaub verbringen. Im Moment ist es ja umgekehrt der Fall, dass natürlich viel mehr Deutsche hier nach Italien kommen. Da könnten wir uns sicher noch etwas stärker profilieren und natürlich auch auf dem Gebiet des Kulturaustausches. Wir bringen hier viele junge Leute hin, viele junge Bands, junge Sänger, junge Chöre, um auch das Interesse der Italiener zu wecken.

P.Honisch: Ich weiß nicht, inwiefern Sie sich zu den derzeitigen Entwicklungen in Europa äußern können, aber es ist so, dass eigentlich nie – zumindest nicht in der nahen Vergangenheit – so viele bewegende Ereignisse innerhalb Europas zeitgleich zu einer Weltausstellung passiert sind – und Deutschland kommt fast nicht mehr aus den Schlagzeilen. Nimmt das in irgendeiner Form Einfluss auf die EXPO, oder darauf wie man untereinander verfährt?

D.Schmitz: Es gibt viele parallele Themen, die laufen, die akut sind. Sie haben’s ja angesprochen. Ich glaube, man darf jetzt aber nicht ein Ereignis, wie die Weltausstellung – und man kann es auch nicht – umswitchen oder anders gestalten, zumal es jetzt noch zwei Monate Restlaufzeit sind. Man kann sicher überlegen, wie können zukünftig diese aktuellen politischen Entwicklungen, wenn sie rechtzeitig bekannt sind, in eine Weltausstellung ansatzweise mitaufgenommen werden. Ich glaube man muss aber auch immer im Hinterkopf haben, dass das Tempo dieser Entwicklungen so schnell ist, dass es nicht möglich ist, mit einem solchen Großevent darauf zu reagieren, das hier ist eine Angelegenheit, die langfristig angelegt ist und ich denke dieses Thema Welternährung ist ja jetzt nicht von heute auf morgen akut geworden, das entwickelt sich ja auch weiter und das, was hier an Ergebnissen rauskommt, kann man dann auch vielleicht dahin projizieren. Wir haben hier sicher keine Lösungsvorschläge für die rasant gestiegenen Flüchtlingszahlen, die jetzt Tagesordnung sind, das sind Dinge, die man hier auf einer Weltaustellung zur Kenntniss nehmen kann, aber es gibt keine Lösungen dafür hier, keine politischen.

P.Honisch: Also Sie würden mir wahrscheinlich zustimmen, wenn ich sage, die EXPO ist das Ergebnis einer langen Planung über viele Jahre und ist quasi das was man ausstellt und daran ändert sich im Grunde auch nicht viel, auch nicht an den Abläufen, an den Events.

D.Schmitz: Ja.

P.Honisch: Ziele und Wertvorstellungen an die Zukunft die Deutschland explizit setzt, könnten Sie mir da ein paar aufzählen?

D.Schmitz: Wir hoffen durch unseren Pavillon, unsere Teilnahme bei den Besuchern etwas zu wecken was in ihnen ist, was aber bisher nicht richtig wach geworden ist. Wir haben ja auch so ein schönes Motto, das heißt „Be(e) active“. Wenn du durch die Welt gehst, mach’ die Augen auf und überlege mal „Machst du alles richtig, oder kann du dich auch anders verhalten?“ Und das fängt ganz allgemein ja daran an, das kennen Sie auch; „Muss man jeden Weg mit dem Auto beschreiten? Kann man nicht mal zu Fuß gehen mit dem Fahrrad fahren oder wenn es schlechtes Wetter ist, sich dann was anderes anziehen“ und in Bezug auf dieses Nahrungsmittelthema geht es ja darum, den Leuten nahe zu bringen, einmal zu überlegen „Wieviel musst du eigentlich täglich haben, um satt zu werden? Das ist eigentlich die Auswahl deines Essens, deiner Nahrungsmittel, kannst du dich da eigentlich einmal umstellen und bist du dir dessen bewusst, wie wichtig es ist, dass wir zum Beispiel sauberes Wasser haben? Was kann ich selber dazu beitragen? Was kann ich selber dazu beitragen, dass unser Klima nicht noch mehr Strapazen ausgesetzt ist?“ Das sind so viele Einzelfragen, die wir versuchen, hier bei dem einzelnen Besucher anzubringen. Damit er einfach auch mal darüber nachdenkt.

P.Honisch: Beziehungsweise was deutsche Firmen natürlich auch zu diesem Wissen beitragen können.

D.Schmitz: Da bin ich vorsichtig, natürlich kommen viele Ideen hier von Firmen und von Forschungsinstituten, die aber sehr wohl wissen, dass, wenn sie hier in einem nationalen Pavillon teilnehmen, es nicht darum geht, die Firmen herauszustellen. Wir stellen hier ein Gesamtprojekt dar, wir stellen viele Entwicklungen dar, viele Lösungsansätze. Wir können auch Hinweise darauf geben, wo die Lösungsansätze herstammen, aber eine Weltausstellung ist kein Ort, wo man Geschäfte macht, ein „Non-Commercial Event“.

P.Honisch: Ja ich weiß.

(lachen)

P.Honisch: Offiziell. Das heißt, da muss man dann vielleicht auch wieder differenzieren.

D.Schmitz: Jain. Also es ist ja wirklich auch qua Definition und auch vom EXPO-Veranstalter nicht gestattet, dass man ein Pavillon branded, da stehen keine großen Firmennamen außen dran. Natürlich zeigen wir, wer unsere Partner sind. Das haben wir da drüben an der Tafel, wir haben es an anderen Stellen im Pavillon, aber es wird keine Firma einzeln herausgestellt.

P.Honisch: Und wie hoch ist die Bedeutung eben dieser Partner, im Vergleich zur Bundesrepublik an sich?

D.Schmitz: Ich würde einmal so sagen, ohne die Bundesrepublik wären die Partner nicht hier, denn dieser Pavillon wird voll aus Steuermitteln finanziert, das heißt Deutschland ist der Überzeugung, dass es richtig ist, als Land,als Nation hier zu sein und nimmt diese Partner hier an Bord.

P.Honisch: Also keine Ko-Finanzierung durch die Partner?

D.Schmitz: Nein.

P.Honisch: Das unterscheidet sich dann beispielsweise zu anderen Pavillons.

D.Schmitz: Zu sehr vielen anderen Pavillons, das weiß ich sehr wohl und wir sind hier in einer Lage, ohne Berücksichtigung der Interessen von Firmen voll der Idee eines Ideengebers, einer Agentur zu folgen, die in diesem Falle hier den Pavillon entwickelt hat und für eine solche Entwicklungsarbeit ist es eine unheimliche Erleichterung, keine Rücksicht auf andere Geldgeber nehmen zu müssen. Darum kann man die Idee auch ziemlich sauber realisieren.

P.Honisch: Ist das quasi das erste Mal so gehandhabt worden oder ist es generell die „deutsche Methode“ eine Weltausstellung anzugehen.

D.Schmitz: Das ist „Gott sei Dank“ die deutsche Methode, eine solche Weltausstellung anzugehen.

P.Honisch: Wenn Sie vielleicht noch etwas hinten ansetzen möchten an das Besprochene.

D.Schmitz: Ich denke, Weltausstellungen sind ein Instrument, dass es ja seit 1851 gibt und entgegen vielen Vermutungen, auch von Kritikern, es sei ein Auslauf-Modell, kann ich das nicht bestätigen. Es gibt viele Kandidaten, schon für die Zukunft auch für 2025, die Weltausstellungen ausrichten wollen, weil zum Einen es die Möglichkeit ist zu zeigen, dass man als Land in der Lage ist, ein solches Großevent zu managen, zum anderen weil die Nachfrage ein solches Großevent zu managen, nach Weltausstellungen, nach wie vor sehr groß ist. Wenn man sich diese Zahlen mal durch den Kopf gehen lässt, diese großen Weltausstellungen in Osaka mit um die 65 Millionen Besuchern, Shanghai 73 Millionen Besucher, 2005 in Japan waren 22 Millionen, hier werden es um die 20 Millionen sein, für sechs Monate ist das schon eine beträchtliche Zahl. Man muss ja nur einmal rausgucken. Jeden Tag ist Betrieb, der Betrieb wäre nicht da, wenn die Menschen nicht durch Weitergabe von Informationen andere animieren und überzeugen würden „Geh’ doch mal hin, das ist wirklich toll“, und diese Begeisterung zeigt, dass man eine Weltausstellung auch entsprechend von Aussteller- oder Nationenseite auch mit Themen füllen kann, die alle interessieren und deshalb glaube ich, dass eine Weltausstellung oder Weltausstellungen auch in Zukunft weiterhin attraktiv sein werden und auch Gegner, sei es nur argumentativ oder auch etwas kräftiger zum Ausdruck kommend – wie es bei Großereignissen üblich ist und wie es hier zu Beginn auch war – letztendlich auch auf der Strecke bleiben.

P.Honisch: NGOs sind jetzt auch noch eingepflegt worden in dieses EXPO Modell, also es wird eh schon in die Richtung gearbeitet, oder – würden Sie das auch so sehen?

D.Schmitz: Das ist nicht erst hier der Fall, das war eigentlich bei jeder großen Weltausstellung der Fall, das NGOs genauso teilnehmen können, wie die Nationen, was aber nicht sein wird, ist, dass auf Weltausstellungen zukünftig einzelne Firmen abgesehen von Corporate Pavillons jetzt hier Platz bekommen und sich präsentieren können, dafür haben wir andere Instrumente, dafür sind die Fachmessen und Ausstellungen das richtige Feld.

P.Honisch: Abschließend noch eine Frage, eine letzte. Ist etwas geplant in eine Richtung selbst wieder eine Weltausstellung in Deutschland auszurichten, oder ist das alles noch zu lange hin?

D.Schmitz: In Deutschland derzeit nicht, Sie wissen, es gibt die Bewerbung Hamburgs um die Olympischen Spiele, das liegt jetzt im Fokus und da wird sich derzeit auch keine andere Stadt in Richtung Weltausstellung bewegen. Wenn, dann wird das nach meiner Einschätzung frühestens nach 2030 sein. Die Kandidaten die 2025 eine Weltausstellung ausrichten wollen, werden sich im nächsten Jahr outen. Wir wissen natürlich schon, wer es ist.

P.Honisch: Aber Sie dürfen es noch nicht sagen.

D.Schmitz: Doch das darf man.

P.Honisch: Dann sagen Sie es doch.

D.Schmitz: (lacht) Es interessieren sich London, Rotterdam und Paris dafür und im nächsten Jahr, Ende nächsten Jahres wird die Entscheidung fallen, wo es hingeht, dann ist es ja belegt.

P.Honisch: Aus deutscher Sicht hoffentlich nicht nach Holland nehme ich an. (lacht)

D.Schmitz: Das können wir nicht entscheiden, das entscheidet die Generalversammlung des internationalen Ausstellungsbüros in Paris. Da sind 168 Staaten Mitglieder, wir sind auch nur eines, wir haben auch nur eine Stimme (lacht) und das hängt von den Kandidaten ab, wie sie die Mitglieder des Weltausstellungsbüros bearbeiten.

P.Honisch: Ok, dann möchte ich mich sehr herzlich bei Ihnen bedanken, Dietmar Schmitz, für das Interview. Das war es von meiner Seite.

D.Schmitz: Ja. Gerne.

 

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